Kognition im Handball

Im Handball steht das ständige Umschalten zwischen Angriff und Abwehr im Vordergrund. Hierbei gilt es schnellstmöglich variable Spielkonstellationen und Positionierungen zu erkennen, um weitere Entwicklungsmöglichkeiten zu antizipieren. Alle von außen beobachtbaren Aktionen, Bewegungen und Handlungen haben ihren Ursprung in der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen. Dies weist darauf hin, welchen hohen Stellenwert Kognition im Handball hat.

Durch Training dieser vorbereitenden und planenden kognitiven Prozesse gelingt es auf Grundlage von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung auch unter Druckbedingungen Lösungen zu finden, um schlussendlich optimale Entscheidungen über Abwehr- und Angriffshandlungen zu treffen.

Welche kognitiven Anforderungen existieren im Handball?

Die kognitiven Anforderungen im Handball sind sehr vielfältig. Umweltbedingungen erfordern es, dass du dich Situationen ständig anpasst und Strategien für die Entscheidungsfindung entwickelst. Im Rahmen dieses kognitiven Prozesses sollst du schlussendlich diejenige Option auswählen, die du zu diesem Zeitpunkt als am geeignetsten erachtest. Zeitgleich ist es von Vorteil, dass du auch Alternativen in Betracht ziehst und geplante Handlungen, falls erforderlich, verwirfst. Um adäquate Entscheidungen treffen zu können, musst du mehrere Möglichkeiten wahrnehmen und deine Entscheidung auch in Stresssituationen in Form einer motorischen Handlung treffen.

Ein möglichst breites Aufmerksamkeitsfenster sowie eine optimierte periphere Wahrnehmung verhelfen dir zum Erhalt einer maximalen Anzahl an Lösungen, während dich deine Inhibitionsfähigkeit bei der Auswahl der für die Entscheidung am besten geeignete Lösung unterstützt.

Was nimmt noch Einfluss auf die Entscheidungsfindung?

Beeinflusst wird dein Entscheidungsprozess ebenso durch externe Reize, sportartspezifische Expertise, vorangegangene Erfahrungen sowie Druckbedingungen, denen du im Training und im Wettkampf ausgesetzt bist. Während des kognitiven Prozesses musst du simultan deine eigenen Bewegungen koordinieren, den Ball verarbeiten und deine Aufmerksamkeit auf Positionierungen lenken, damit du zielführende Lösungen erhältst.

Neben technischen Aspekten musst du ebenso taktische Vorgaben berücksichtigen, welche du in deinem Arbeitsgedächtnis abgelegt hast. Externe Reize verlangen schnellstmögliche Reaktionen oder sollen, falls sie nicht zielführend sind, ausgeblendet werden. Die Reaktion sollte dabei sowohl auf sensorischer als auch auf motorischer Ebene schnellstmöglich erfolgen.

Wodurch ergeben sich individuelle Unterschiede in der Leistung?

Während technische und athletische Dimensionen im Handball vorausgesetzt werden, unterscheiden sich Spielerinnen und Spieler in deren kognitiven Fähigkeiten (Kiss & Balogh, 2019). Diese werden durch Qualität und Quantität der aufgenommenen Informationen bestimmt, insbesondere aber auch über deren Verarbeitungsgeschwindigkeit. Wie auch in anderen Sportarten muss die Aufmerksamkeit im richtigen Moment auf relevante Reize gelenkt werden, um für die Lösung benötigte Informationen wahrzunehmen. Nach der erfolgten Aufnahme werden die Informationen im Arbeitsgedächtnis abgelegt und verarbeitet. Im Handball gilt es diesen Prozess auch unter Zeit- und Gegnerdruck aufrechtzuerhalten.

Wie lassen sich kognitive Fähigkeiten testen?

Mithilfe unserer digitalen Testbatterie lassen sich kognitive Fähigkeiten wissenschaftlich fundiert testen. Neben Testverfahren der Dimensionen Reaktion, Aufmerksamkeit, Antizipation, periphere Wahrnehmung und Inhibition, erachten wir insbesondere das Maß der Belastbarkeit als leistungsbezogenen Faktor. Diese Fähigkeit, kognitiven Anforderungen auch unter Stressbedingungen gerecht zu werden, lässt sich durch die reaktive Belastbarkeit beschreiben. Im Rahmen unserer Testbatterie werden dir visuelle und akustische Reize präsentiert, auf die du über eine Probandentastatur und Fußpedale schnellstmöglich reagieren sollst. Die adaptive Reizvorgabe führt zu einer bewussten Überforderung und provoziert dadurch, Belastungen standzuhalten, und ihren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit so gering wie möglich zu halten.

Dadurch stellen wir fest, ob deine Reaktionszeit unter Einwirkung von Stressoren (belastende Reize) aufrechterhalten wird.  Denn wie Athletinnen und Athleten unter Stressbedingungen reagieren, hat einen wesentlichen Einfluss auf deren sportliche Leistungsfähigkeit (Anshel & Anderson, 2002).

Fazit

Basierend auf dem Entscheidungsprozess sind es auch im Handball kognitive Prozesse, welche über die Geschwindigkeit und Qualität deiner Handlungen entscheiden. Eine genauere Betrachtung erfordert hier, den Entscheidungsprozess von der Spielsituation bis hin zu deren Lösung zu zerlegen. Nicht immer sind Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Antizipation, Inhibition und Reaktion zwingend daran beteiligt. Doch auch wenn es nur einzelne kognitive Komponenten betrifft, bedingen diese in weiterer Folge zusammenhängende kognitive Anforderungen. Diesen gerecht zu werden und zwischen diesen Fähigkeiten zu switchen, bedarf einem hohen Maß an kognitiver Flexibilität.

All diese am Entscheidungsprozess beteiligten kognitiven Fähigkeiten kannst du sowohl isoliert als auch spielnah trainieren.

Anshel, M. H., & Anderson, D. (2002). Coping with Acute Stress in Sport: Linking Athletes‘ Coping Style,Coping Strategies, Affect, and Motor Performance. Anxiety, Stress & Coping, 15 (2), 193-209.

Kiss, B., & Balogh, L. (2019). A study of key cognitive skills in handball using the Vienna Test System. Journal of physical education and sport, 19, 733-741.